Anfang
Meine Eltern sind Andalusier, ich selbst bin in Marokko geboren. Dort
entdecke ich auch das Kino, vor allem amerikanische Filme,Marlon Brando, James Dean... Ich besuche die
Kurse des Konservatoriums in Casablanca und absolviere dann meinen Wehrdienst.
Danach, 1970, zog ich mit Freunden nach Paris. Zimmer für Dienstmädchen und so
etwas. Ich schaffe es, im Cours Simon aufgenommen zu werden. René Simon stirbt
im November 1970. Da haben wir ein Problem, denn ohne Simon wird das Kolleg ein
wenig vornehm, ein wenig preziös. Simon hatte eine philosophische Ader, er
drang darauf, dass wir viel über uns selbst nachdenken… Ich erinnere mich an
seine Ankunft eines Morgens: "Der Mensch ist ein denkendes Schilfrohr.
Schreiben Sie mir darüber bis nächsten Mittwoch einen Kommentar." Ich sag
mir: "Ist doch nicht wahr, was ist das denn für’n Zeugs?" Aber
gleichzeitig hilft es einem auch dabei, nicht nur blöd zu sein! Kurz, ich
verlasse den Cours Simon.
Erste Rolle
1972, "Clair de
Femme" von Costa-Gavras. Mein erstes Ding für’s Kino. Costa sagt zu mir: "Ich
möchte, dass du einen Bullen spielst." Eine Szene mit Romy Schneider und
Yves Montand. Sie kommen im Auto daher, biegen nach rechts ab und ich sage:
"Stopp! Einbahnstrasse." Und Romy lacht. Hat Spaß gemacht, ich war 2
Tage dort.
Liebhaberrollen
Ich habe nie eine Liebhaberrolle gespielt und einige Zeit gebraucht, um das
zu akzeptieren. Die Zeit verging, ohne dass ich arbeitete. Das waren meine
Jugendjahre, die schönsten meines Lebens. Ich sah meine Kumpels arbeiten und
ich, ich war arbeitslos… Das tut weh. Weil du nichts zu essen hast, kein Geld
hast, ganz allein in Frankreich bist. Wenn heute jemand in meinem Umfeld Not
leidet, kann ich ihm helfen. Ich kann auch Projekte ins Leben rufen, einfach
weil einem die Leute mehr zuhören, wenn man ein wenig bekannt ist. Das heißt
aber nicht, dass du interessantere Dinge sagst, aber man hört dir auf jeden
Fall zu.
Treffen
Ich komme zu einem Casting mit dem Typ, der im Film "Der letzte
Kampf" im Kofferraum eines Autos lebt. Wir hatten ein wenig getrunken. Es
ging um eine Komödie der B-Serie. Der Regisseur hieß Raphaël Delpard und Luc
Besson war erster Assistent. Delpard: "Was haben Sie zuletzt
gemacht?" Ich: "Ach, ich war Tennis spielen." Er schätzt das
nicht besonders, aber ich sehe Luc, der sich vor Lachen biegt. "Haben Sie
Fotos?" Wir geben ihm unsere Fotos. "Und was haben Sie gemacht?"
"Steht hinten drauf". Und wir verdrücken uns. Und Luc lacht erneut im
Hintergrund... Der andere hat uns wohl für Idioten gehalten. Was soll’s, es ist
halt so. Es gibt Leute, mit denen nichts geht. Aber Luc sorgt dafür, dass wir
wieder beim Casting erscheinen und nimmt uns. Ich spiele einen Leutnant, mein
Kumpel einen Trommler! Drei oder vier Tage nach dem Beginn der Dreharbeiten
kommt Luc zu mir und sagt: "Ich habe ein Projekt für einen Kurzfilm mit
dem Namen "L'avant-dernier"." Und danach kommt es Schlag auf
Schlag... "Der letzte Kampf", "Subway", "Im Rausch der
Tiefe", "Nikita".
Berufung
Schauspieler ist vielleicht nicht der schönste Beruf der Welt, aber auf
alle Fälle ist er der, der mich am meisten ausfüllt... Aber ich hab keine
Ahnung, wie ich zu dem Wunsch gekommen bin, Schauspieler zu werden. Vielleicht,
weil ich mich selbst nicht liebte. Eines ist sicher, ich hab nie daran gedacht,
etwas anderes zu machen… Wenn eine Szene gut ausgeführt wurde, ein Film gut
gemacht ist, wenn im Theater ein Moment gut vorbereitet wurde, selbst, wenn er
nur 30 Sekunden dauert, ist das erstaunlich. Außergewöhnlich! Ist dir das klar?
Freundschaft
Bei meinen Anfängen im Theater spielte ich den Bürger, mit Schnurrbart und
Bauch, Pingel.Nicht mit Enzo, 42 Meter
Meerestiefe. Alle diese Türen (Harrisonfordische) konnte ich dank Luc öffnen.
Im Stil: Los geht’s, wir werden schon sehen, was das gibt. Thank you very much
Luc, I love you. Wir sehen uns nur selten, aber ich weiß immer, wo wir uns
befinden. Ein Telefonat von Zeit zu Zeit ist gut und eine wirkliche
Freundschaft ist derartig selten, dass sie zu bewahren ist.
Komödie
Ich freue mich, mit"L'Opération Corned Beef" wieder zur Komödie zurückzukehren.
Christian Clavier ist ein Komiker. Und Komiker sind schrecklich, du weißt nie,
was als nächstes kommt. Vor mehr als 10 Jahren hab ich ein Stück von Labiche
mit Darry Cowl gespielt ("Selimar, le bien-aimé"). Darry spielte
Selimar und ich einen gehörnten Ehemann. Eines Abends kommt Darry auf die Bühne
gerast und hält inne: "Na so was, ich hab mich geirrt." Und
verschwindet. Er geht weg! Die Leute krümmen sich vor Lachen. Und du, man hat
dich wie einen Idioten stehen gelassen! Er kommt zurück, schaut ins Publikum
und sagt seinen Text und dann: "Ist doch gut, es geht weiter." Ich
schwör dir, das funktioniert! Vielleicht machte Molière das genauso?
Image
Ich mag mich nicht. Ich vertrage es nicht, mich am Bildschirm zu sehen. Ich
bin nicht in der Lage zu sagen: "Sieh an, Jean Reno, der ist gar nicht
schlecht." In "Nikita", als der andere kommt, um zu zerstören,
verziehe ich mich, das schwör ich dir! Ich war im Grand Rex mit Tchéky Karyo.
"Wohin gehst du?" "Vergiss es!"
Bauchnabel
Als ich das erste Mal "Midnight Run" mit Robert De Niro gesehen
hab, fand ich das Scheiße. Ich sagte mir: "Oh Mann, das ist doch
einfach!" Und dann hab ich das nochmals im Fernsehen gesehen und
vollkommen meine Meinung geändert, vor allem über De Niro. Ich hatte nicht
richtig hingeguckt, das war mein Fehler. Das war zum Zeitpunkt von "Im
Rausch der Tiefe“, ich war nicht offen genug, ganz einfach, weil man
zwangsläufig unter den Auswirkungen eines derartigen Erfolgs leidet.Mit "Im Rausch" bin ich ein
Stockwerk höher gestiegen und da braucht die Erkundung dieser Ebene ein wenig
Zeit. Verstehst du! Das ist alles. Ich war vermutlich damit beschäftigt, eine
Nabelschau zu veranstalten.
Lügner
Man hört oft ältere Schauspieler sagen: "Ich brauch jetzt niemanden
mehr, ich sag Ihnen jetzt wirklich, was ich denke.“ Die hätten auch von Anfang
an sagen könne, was sie denken. Lügnerbande!... (Lachen) Was? Damit macht man
uns doch kein zweites Arschloch! Wenn du anfängst, Zugeständnisse zu machen,
kommst du gar nicht mehr klar. Ich habe Produzenten gesehen, die mir sagten:
"Sag mal, Jean, willst du mir den Film da nicht machen?"
"Mensch! Hör bloß auf! Den Film mach ich nicht, wir kennen uns kaum und du
willst mich nicht wirklich." Ich kann mir kein dickes Auto kaufen? Macht
nichts, nächstes Jahr.
Paravent
Es gibt sehr bekannte amerikanische Schauspieler, die "Im Rausch der
Tiefe" machen wollten, ohne jemals zu tauchen. "I don't want to
die." Aber wenn du nicht tauchst, verstehst du weder das Meer noch den
Film. Für einen Schauspieler ist es wichtig, sich nicht selbst anzulügen. Falls
du, wie in "L'homme au masque d'or", einen Catcher spielst, wirst du
ganz einfach Ringkämpfe machen müssen. Ein Schauspieler ist kein Paravent, oder
aber er geht in die Brasserie von Alma (sehr vom Filmmilieu besucht) und lässt
uns in Ruhe..
Lehnsessel
Falls ich nicht an meinen Rollen arbeite, geht’s daneben. Ich bin falsch,
nicht glaubwürdig, ich spiel nicht mit den anderen, ich sende nicht den
richtigen Ton aus. Wenn ich müde bin, werde ich listig... Schauspieler sein ist
schrecklich. Das ist, als ob neben dir ein schöner und bequemer Lehnsessel
steht, auf den du dich nicht setzen kannst. Falls du dich eines Tages hinsetzt,
ist es vorbei. Hey! In der Truppe von Didier Flamand waren wir 32, es bleiben
wohl vier, alle anderen haben sich hingesetzt. Die Lust zum Sitzen hast du… Ich
seh’ gut aus, ich mach Kohle, sieh mal, hier ist ein Foto von mir. Hopp, du
setzt dich hin und es ist vorbei.
Schatten
Ganz große Schauspieler, das ist sehr hart. Das ist wie bei der ATP. 20
Spieler haben die Kapazitäten, Nummer 1 zu werden. Aber unter den 20 befinden
sich 12, die keine Lust haben, das Training auf sich zu nehmen. Das ist normal
und menschlich. Falls du wirklich Nummer 1 werden willst, wird es hart. Nicht
nur, weil du dich nicht in den Lehnsessel setzen wirst, sondern dir obendrein
noch die Schnauze verbrennst…Du wirst
dir alles holen, alles machen. Das ist der Grund, warum viele Schauspieler am
Ende kaputt sind, wirklich kaputt. Sie bringen die ganze Welt zum träumen und
sind selbst nur noch Schatten. Typen, die durchhalten, wie Sean Connery, gibt’s
nur ganz wenige.
Vorgehensweise
Was ich am Schauspielberuf liebe ist, dass Unehrlichkeit einfach nicht
möglich ist. Bist du unehrlich, hältst du es drei Minuten aus, mehr nicht. Ich
pass also auf. Nicht entgleisen, mir keinen Mist erzählen. Das ist meine ganze
Sorge und daher ist dies meine Vorgehensweise.
- JEAN RENO SCHREIBEN -
Jean Reno c/o CBC
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